Vielsprachig an der Schindelbank

Zwölf Frauen und Männer aus aller Welt arbeiten in einem Freiwilligenprojekt in der Freiberger Bergbaulandschaft. Das Anliegen ist ein großes.

Freiberg.

Lange Holzspäne fallen rund um das historische Zylindergebläse auf der Halde der Grube Alte Elisabeth in Freiberg zu Boden. Junge Leute sitzen an betagten und neuen Schindelbänken und bearbeiten mit breiten Zieheisen Stücke aus Fichtenholz: Das kleine Fachwerkhaus, das das metallene Denkmal der Industriegeschichte schützt, ist derzeit eine Schindelwerkstatt.

Zwei Wochen lang arbeiten hier zwölf junge Erwachsene aus aller Welt. Sie sind Teilnehmer des Freiwilligenprojektes European Heritage Volunteers und haben in ihrem Leben noch nie Holzschindeln hergestellt. Doch das ändert sich gerade. Der Dresdner Zimmerermeister Kai Richter zeigt den Gästen aus Italien, Portugal, Griechenland, Spanien, Frankreich, Russland und Kasachstan, wie aus einem Spaltholz eine Schindel entsteht. Seit Montag "glühen" die Zieheisen. "Die ersten Tage übt man und merkt, wie es funktioniert. Jetzt haben wir schon etliche brauchbare Stücke da", zeigt sich der 43-Jährige zufrieden.

Immer wieder fordern die Schindelmacher auf Zeit seine Hilfe ein. Kai Richter erklärt auf Englisch und zeigt geduldig, wie eine perfekte Schindel auszusehen hat. 25 Quadratmeter der begehrten Dachdeckung sollen in den nächsten Tagen entstehen. Richter selbst lernte die Herstellung in Finnland und Schweden, wo er viele Jahre bei Kirchensanierungen mitwirkte. Jetzt hat er eine Werkstatt mit dem Namen "So viel Holz" in Dresden und unterstützt im rumänischen Siebenbürgen Vorhaben der Denkmalpflege.

Doch zurück ins sächsische Bergbaugebiet. "Wir machen hier etwas Herrliches, die Erfahrungen dieses rund 3000 Jahre alten Handwerkes nehmen die jungen Leute mit in ihre Länder", sagt Richter. Für das Projekt stellte der Sachsenforst dicke Fichtenstämme zur Verfügung. Die wurden auf der Halde der Alten Elisabeth in 50 Zentimeter lange Stücke geschnitten und dann radial gespalten. Aus diesen Rohlingen formen die Projektteilnehmer die keilförmigen Schindeln, die später noch eine Nut erhalten. Die 18-jährige Regina Remirez aus Mexiko ist begeistert von der Arbeit. "Es ist sehr interessant, keine Maschine zu benutzen, und wir wollen sehen, wie man ein Dach aus Holz baut", sagt sie. Sie will Handwerk in Europa und Mexiko vergleichen.

Die Nutschindeln, die die motivierten Gäste formen, werden vor Ort gebraucht. Denn die Dächer der Gebäude der Alten Elisabeth müssen instand gesetzt werden. "Maschinell produzierte Schindeln halten nicht so lange wie per Hand hergestellte", weist Helmuth Albrecht vom Institut für Industriearchäologie, Wissenschafts- und Technikgeschichte der TU Bergakademie auf das Problem hin. In jüngster Vergangenheit wurden Schindeln verbaut, die mit traditionell hergestellten nicht mithalten können. Wichtig ist dem Professor auch, dass das Bewusstsein für das alte Schindelhandwerk in der hiesigen Bergbauregion und darüber hinaus nicht verloren geht, denn die Tradition stirbt langsam aus.

Das Unesco-Welterbe-Projekt Montanregion Erzgebirge/Krusnohori machte es möglich, dass die Freiwilligen auf der Alten Elisabeth arbeiten. Sie sollen hier eine regionale Handwerkstechnik kennen lernen. Die TU Bergakademie und der Förderverein Montanregion Erzgebirge mit Sitz in Freiberg unterstützen die Aktion, letzterer auch finanziell. "Der Bergbau hat links und rechts das Holzhandwerk gebraucht. Deshalb liegt der Fokus des jetzigen Projektes auf traditioneller Handwerkstechnik", erklärt Daniela Walther vom Förderverein.

Das Freiwilligenprojekt und die Bedeutung für die Region wird in einer öffentlichen Abendveranstaltung unter dem Titel "Traditionelle Handwerkstechnik in der Denkmalpflege" am Mittwoch, 5. September, ab 18Uhr im Senatssaal der TU Bergakademie, Akademiestraße 6, vorgestellt.

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